Samstag, 14. Juli 2012

Süchtig nach Schmerz


(Bild von einer lieben Freundin)

Ich glaube, ich bin süchtig nach Schmerz, nach Leid. Nach dem Gefühl, wenn es mir unangenehm heiß über den Rücken läuft und es in meinem Magen brodelt. Wenn ich mit aller Macht versuche meine Ängste zu unterdrücken und Ruhe zu bewahren. Immer dann, wenn ich mit etwas konfrontiert werde, was mich verletzt, beunruhigt oder mich zu bestimmten Vorahnungen führt, die sich in der Regel bewahrheiten. Ich scheine einen gewissen Radar oder siebten Sinn für Sachverhalte zu haben, die mich unweigerlich aus dem Konzept bringen. Aber warum ist das eigentlich so. Im Normalfall versucht man sich selbst, so gut es geht, vor jeglichem Schmerz zu schützen und verschließt davor die Augen. Aber ich scheine davon wie magisch angezogen zu werden und anstatt weg zu Laufen wie es mir mein Überlebensinstinkt rät, renne ich in die falsche Richtung genau darauf zu.
Bin ich nun besonders mutig oder einfach nur fahrlässig und selbstzerstörerisch. Wie konnte es zu dieser Verhaltensänderung meinerseits kommen. Ist vielleicht in den vergangenen Monaten der Grund dafür zu finden? Eine Zeit, in der ich immer wieder mit neuem Schmerz konfrontiert wurde und mittlerweile relativ brauchbare Mechanismen entwickelt habe, mich damit auseinanderzusetzen oder vielmehr mehr schlecht als recht damit zu Rande zu kommen. Bin ich von den Ereignissen so sehr geprägt worden, dass mir mein Glaube an das Gute abhanden gekommen ist, denn ich wittere hintere allem immer nur das Schlimmste. In gewisser Weise als präventive Maßnahme, wenn man das Unglück schon einmal antizipiert hat, dann überfällt es einen nicht aus heiterm Himmel.
 Ich glaube ich habe mich in der Vergangenheit zu gut mit den schlechten Seiten des Lebens angefreundet. Und Freunde sind wichtig, auch wenn man sich bewusst ist, dass sie einen schlechten Einfluss auf einen haben. Will ich mittlerweile diesen Schmerz oder brauche ich ihn? Das unschuldige reine Glück und die innere Einsicht völlig im Reinen mit sich und der Welt zu sein, nichts ändern oder verbessern zu wollen, weil alles perfekt scheint, ist mir fremd geworden. Es lässt sich nicht einmal mehr rekonstruieren dieses Gefühl von Zufriedenheit. Mich begleiten eher Gedanken von Versagen, Scheitern und dem Willen zu überleben. Wenn man eine lange Zeit durch Scheiße und Morast gewandert ist, dann gewöhnt man sich irgendwann an das eklige Gefühl an den Füßen und auch der Gestank widert einen nicht mehr an. Ist das ein notwendiger Anpassungsprozess, der ein Überleben und Weiterleben ermöglicht oder ist es eher ein Indiz für Abstumpfung und inneren Verfall.
Ich habe in der letzten Zeit die Erkenntnis gewonnen, dass der Mensch ein unwahrscheinlich anpassungsfähig ist. Wir sind in der Lage uns mit vielem zu arrangieren und uns zu gewöhnen auch wenn man nicht glauben kann, dass es möglich sei. Aber wir werden doch immer genährt von der schwindenden Hoffnung, dass es Glück gibt auf dieser Welt. Das Glück ist erkennbar in den funkelnden Augen eines frisch verliebten Paares oder in vielen anderen Millionen von kleinen Details, die ein unwiderruflicher Beweis für Liebe und Glück sind. Eigentlich sollten mir diese kleinen Zeichen Hoffnung geben, dass es immer noch existiert. Aber mich wirft so etwas immer unweigerlich zurück und macht mich noch niedergeschlagener. Zu wissen, dass alle Anderen aus meinem Umfeld in der Lage zu sein scheinen ihr Leben normal zu gestalten, sich zu verlieben und wieder geliebt zu werden, lässt mich noch verzweifelter werden. Weil es mir immer wieder vor Augen führt, dass ich dazu scheinbar nicht in der Lage bin.
Ich schaffe es nicht aus der Morastgrube meinen Weg auf die wunderschöne Blumenwiese zu finden. Ich kann sie sehen und riechen und förmlich spüren, aber ich kann immer nur die Anderen auf ihr wandeln sehen. Ich scheine wie festgeklebt und gelähmt in meiner gegenwärtigen Situation. Ich weiß einfach keinen Ausweg. Manchmal bin ich ganz nah dran für einen Moment, um dann wieder festzustellen, dass es nur ein Trugschluss war. Ich bin zwar getrieben von der Sehnsucht nach Besserung und Erfüllung meiner innigsten Wünsche, aber auf der anderen Seite habe ich auch mit dem arrangiert wie es ist. Es ist nicht so, dass ich resigniere und aufgebe, aber ich verspüre auch mittlerweile ein Unbehagen und Angst, bei dem Gedanken, mein tiefes Loch endgültig zu verlassen. Denn den Schmerz und das Leid, dem ich hier ausgesetzt bin, kann ich bewältigen, aber zurück ins Sonnenlicht zu gehen wird immer begleitet sein von der Angst, irgendwann vielleicht wieder in der finsteren Grube zu landen.



4 Kommentare:

  1. Super Text!
    Dein Blog gefällt mir wirklich total gut. (:
    Würde mich über ein Vorbeischauen freuen.♥
    und kurze Frage: Wie gefällt dir speziell mein jüngster Post?
    ♡ xoxo
    wieczorama Fotoblog

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  2. Ach danke, das ist ein tolles Kompliment! :)
    Und zu deinem Text: Konfrontation ist meiner Meinung nach was Gutes. Natürlich soll man Menschen und Situationen, die einen verletzen, nicht in die Arme rennen wie ein Opferlamm. Sich umzudrehen und nur auf sicherem Boden zu gehen ist aber auch keine Lösung.
    Und: Das Glück der Anderen ist auch nur das, was sie beschließen zu zeigen. Nur weil sie zufriedener aussehen heißt das noch lange nicht, dass sie es auch sind. Mach dir nicht zu viele Gedanken. Ist wirklich wahr. Das versuche ich mir auch immer zu sagen: Die anderen tun es ja auch nicht. Es fügt sich schon alles, keiner ist für den Morast geboren! Auch nicht du.
    Liebe Grüße und eine schöne Woche wünsch ich dir! Lucie :)

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  3. Du erinnerst mich an so vielen Stellen an mich selbst, ehrlich.
    Egal wie oft ich mich selbst aus einem tiefen Loch herausziehe, so passiert es dennoch immer wieder, dass ich mich selbst mit dunklen Gedanken erwische. Gedanken, die ich nicht einfach loswerden kann, jedoch mit Gedanken, mit denen ich gelernt habe, zu leben, die immer und immer wieder kommen werden, doch wenn man sie akzeptiert, kann man schnell wieder aufstehen und weiterziehen.
    Ich stelle mir auch oft jede mögliche Situation vor, darüber hab ich erst vor ein paar Wochen mit einer Freundin gesprochen. Ich stelle mir diese Situation von allen Seiten aus allen Blickwinkeln vor, sodass mich schließlich nichts mehr überraschen kann. Eine Eigenschaft, die viele andere Menschen nicht haben und die, wie ich manchmal finde, nicht beneidenswert ist. Natürlich hilft sie meistens, doch zu wissen, was man bereits fühlt und denkt ohne sich fragen zu können: „Ist es das?“ „Was ist das?“ ist manchmal wirklich schade. Wenn ich mich glücklich fühle, dann weiß ich es. Wenn ich so etwas wie „Liebe“ empfinde, kann ich das Gefühl schon in den Keimen wahrnehmen und je nach dem es zulassen oder unterdrücken, weil dieser Samen gar nicht erst Keimen muss um mich, mich selbst fragen zu lassen: „Was ist das?“
    Nun ja, ich schreibe gerade viel über mich selbst und verliere deinen Eintrag langsam aber sicher aus den Augen.
    Du schreibst wirklich schön, es ist mir immer ein Vergnügen, mir deine Worte durchzulesen.
    Im Endeffekt bin ich mir gar nicht so sicher, ob du wirklich verstanden hast, was ich versucht habe auszudrücken, weil ich ziemlich schlecht im erklären bin, aber... ich hatte das Bedürfnis diese Worte von mir zu geben.
    Ist es nicht schön einen Text zu schreiben der jemanden so „berühren“ kann, dass er einen etwas längeren Kommentar schreibt? Es ist ein schönes Gefühl, nicht wahr?
    Wir schreiben das Datum „21.07.2012“, das Datum, an dem Domink ein neuer und hoffentlich treuer Leser wurde.

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    1. Hey Dom,
      vielen vielen Dank für deinen wirklich ausführlichen Kommentar :-)
      Ich bin immer noch ganz überwältigt! Gerade bei diesem Text war ich mir unsicher, ob ich wirklich veröffentlichen möchte, daher ist dies eine um so schönere Bestätigung.Ein Leser wie du ist nicht mit Gold auf zuwiegen.Danke

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